Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

 

diese Ausgabe des Journal Phänomenologie widmet sich mit Martin Heidegger einem Philosophen, der in bisherigen Heften gelegentlich immer auch schon Gegenstand von Beiträgen und Rezensionen war. Er wurde allerdings durch diese Zeitschrift bislang noch nicht mit einem eigenen Schwerpunkt bedacht.

Anlass hierfür besteht in mehrfacher Hinsicht. Heidegger ist ein Schwergewicht der Phänomenologie nach Husserl. Und er wird es auch angesichts – oder trotz – der Publikation der »Schwarzen Hefte« und ihrer zum Teil unsäglichen, inakzeptablen Äußerungen über Juden und das »Jüdische« sicher bleiben. Ist er für die einen neben Wittgenstein einer der »letzten Philosophen« (Manfred Geier) und »Zauberer« (Wolfram Eilenberger), firmiert er für andere indes als philosophe maudit schlechthin: als Prototyp des verfluchten, verdammungswürdigen Philosophen. Mitunter scheuen Forscher keine Mühe, ihn mit denunziatorischem Furor gar zum Mittäter beim Holocaust zu stempeln (vgl. Kaveh Nassirin, »Den Völkermördern entgegengearbeitet?«, FAZ v. 11. Juli 2018).

In der aktuellen, aufgeheizten, um nicht zu sagen: vergifteten Debatte einen Heidegger-Schwerpunkt herauszubringen, ist für sich genommen bereits ein Statement. Spiegelt sich darin doch die Überzeugung wider, dass Heidegger mitnichten, wie das manche suggerieren oder sogar, wie Emmanuel Faye, offen fordern, aus den Bibliotheken zu verschwinden habe. An Heidegger kommen wir nicht vorbei, ob wir wollen oder nicht. Und gerade der Phänomenologie verbundene Philosophinnen und Philosophen müssen sich der Herausforderung seines Denkens nach wie vor stellen. Kritische, an der Sache orientierte Auseinandersetzung ist deshalb gefordert, nicht aber blinde Polemik, die hinter jeder Äußerung des Philosophen Ideologieverdacht wittert und diesen mitunter gar gegen das Gesamtwerk richtet. Eine sich in der Ideologie der political correctness dokumentierende »moralische Kultur der Kleinmütigkeit« gibt sich ohnehin nur allzu leicht und gern die »Lizenz zur Selbstgerechtigkeit«, wie Wolfram Hogrebe zu Recht bemerkt hat (W. Hogrebe, Metaphysische Einflüsterungen, Frankfurt am Main 2017, S. 65).

Anders gesagt: Heideggers Denken vermag auch nach den »Schwarzen Heften« für manche Fragen – die Seinsfrage und andere Fragen – durchaus gewichtige Anstöße zu geben, wie die in diesem Schwerpunkt versammelten Beiträge im Blick auf zentrale Konstellationen, Themen und Probleme exemplarisch zeigen.

Andreas Großmann zeichnet als Herausgeber für den Schwerpunkt verantwortlich. Das Cover zum Heft wurde von Dirk Hupe (www.dirk-hupe.de) dankenswerterweise künstlerisch gestaltet. Des Weiteren finden Sie in diesem Heft wie immer Rezensionen und Literaturhinweise.

Das kommende, fünfzigste Heft wird Georg Simmel gewidmet sein, dessen Todestag sich am 26. September 2018 zum hundertsten Male jährt.

Eine ertragreiche Lektüre wünscht

 

die Redaktion.