Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Sollen wir müssen, was wir dürfen? Dürfen wir wollen, was wir sollen? Müssen wir dürfen, was wir wollen? Die Reflexion zeitgenössischer biotechnologischer Entwicklungen wird vielerorts von ethischen Fragestellungen dominiert. Ganz anders die Nummer 18 des Journal Phänomenologie. Im Zentrum steht hier die Frage nach der Geschichte jener begrifflichen Vorentscheidungen, die die gegenwärtigen Debatten um Themen wie dem medizinischen Nutzen von Stammzelltherapien, den technischen Möglichkeiten und Grenzen der Reparatur genetischer Defekte oder der Bestimmung des Todeszeitpunktes eines Menschen im Zeitalter der Organtransplantationen unthematisiert bestimmen. "Der Kampf gegen einen Feind, dessen Struktur einem unbekannt bleibt, endet früher oder später damit, dass man sich mit ihm identifiziert", schreibt Giorgio Agamben. Wir folgen dieser Warnung und widmen die vorliegende Nummer, wie angekündigt, dem im wörtlichen Sinn unter die Haut gehenden Thema "Biopolitik". Im Zentrum steht Agambens vor kurzem ins Deutsche übertragene Versuch, den wechselnden Verlauf von Frontlinien auf dem Jahrtausende alten Schlachtfeld des Körpers nachzuzeichnen. Wir bieten Einblicke aus vier verschiedenen Blickwinkeln in seinen Homo sacer, damit Sie sich selber ein Bild machen können.

Besonders möchten wir Sie wieder auf den Rezensionsteil des Journals hinweisen. Wie immer finden Sie hier ausgewählte Lektüreempfehlungen, nicht ohne Warnungen vor unvorsichtigem Genuss. Die Liste besprochener Titel reicht von Hubert Thürings Publikation zu Friedrich Nietzsche bis zu einer Reihe von Neuerscheinungen von Jürgen Habermas. An einer Stelle gerät auch hier der Körper ins Visier, nämlich in Philipp Sarasins Versuch eine Geschichte der Hygiene zu schreiben. Sie finden diese Rezension in unserer Zitronenecke.

Auch mit unserem nächsten Schwerpunkt bleiben wir beim Körper. Heft 19 ist dem Thema "Schmerz" gewidmet. Deadline für Beiträge ist der 15. März 2003.

Auf Ihr Interesse hoffend,
die Redaktion!